Entschärfung des US Produkthaftungsrisikos

Dieser Aufsatz dient als praktischer Leitfaden und soll deutschen klein- und mittelständischen Unternehmen zeigen, wie das US-amerikanische Produkthaftungsrisiko für entschärft werden kann. Zunächst wird auf zwei gängige Grundmodelle eingegangen (I.), danach werden weitere Strukturaspekte erläutert, mit denen auf das Risiko Einfluss genommen werden kann (II.). Abschließend werden allgemeine Risikokontrollmaßnahmen erörtert (III.).

I. Grundmodelle

Zunächst wird eine Gesellschaftsstruktur mit einer deutschen Muttergesellschaft und einer US-amerikanischen Tochtergesellschaft angenommen. Bei dem ersten Grundmodell fungiert die Muttergesellschaft in Deutschland als Hersteller und beliefert die US-Tochtergesellschaft als Vertreiber. Beim zweiten Grundmodell hat die Tochtergesellschaft die Funktion des Herstellers direkt in den USA inne und vertreibt diese Produkte auch auf dem US-amerikanischen Markt.

Unter Beachtung der hierin erwähnten Aspekte (siehe II.) kann normalerweise das Produkthaftungsrisiko der Muttergesellschaft durch das zweite Grundmodell entschärft werden. Dieses Ergebnis lässt sich aus den folgenden Umständen ableiten. Für die Produkthaftung in den USA ist der Maßstab der Gefährdungshaftung (strict liability) maßgeblich. Der Kläger muss kein Verschulden (negligence) des Beklagten im Zusammenhang mit Produktmängeln nachweisen. Insoweit entspricht die Rechtslage in den USA weitestgehend der in Deutschland. Alle Teilnehmer in der Vertriebskette (stream of commerce) werden im Rahmen der Produkthaftung in Verantwortung gezogen. Die Vertriebskette umfasst u.a. die Hersteller sowie die Verkäufer (OEM oder Lieferanten auf höherer „Tier“-Ebene). Soweit die Herstellung auf die Tochtergesellschaft verlagert wird, kann hierdurch die Einbindung der Muttergesellschaft in der Vertriebskette (stream of commerce) durchbrochen werden, es sei denn die Einbindung wird durch die Erfüllung weitere Tatbestände verursacht (siehe II.).

II. Strukturaspekte

a) Lizenzen

Es ist oftmals so, dass die Tochtergesellschaft erst durch die Muttergesellschaft die Berechtigung erhalten muss, um überhaupt geschäftlich aktiv werden zu können. Hier geht es um Lizenzen der Muttergesellschaft bzw. die Gewährung von Nutzungsrechten über gewerbliche Schutzrechte, einschließlich Marken, Technologie, industrielles Know-how, Design, Mustern, und Patente. Dies ist bereits aus diversen rechtlichen und steuerlichen Gründen sehr zu empfehlen, denn ohne solche Vereinbarungen können diese Schutzrechte unter Umständen auch verloren gehen. Auch die Problematiken die der Fremdvergleichsgrundsatz und die steuerrechtliche Thematik der Verrechnungspreise mit sich bringt hat beachtet zu werden.

Ob die Verwendung einer Lizenz zu einer Erhöhung des Produkthaftungsrisikos der Muttergesellschaft führt, hängt vom konkreten Schutzrecht und dessen Nutzung, sowie vom Umstand, ob die Muttergesellschaft wesentlich am Design, Herstellung oder Vertrieb beteiligt ist (substantial participation or control) ab. Ist dies der Fall, gilt, nach Maßgabe des Restatement (Third) of Torts: Products Liability 14 (1998), sowie dem Rechtsinstitut der “enterprise theory”, der Lizenzgeber gewöhnlicherweise als in die Vertriebskette integriert und haftet gleichfalls für Produktmängel nach dem Maßstab der Gefährdungshaftung.

Bei Designern und Designlizenzgeber gilt eine Besonderheit. Obwohl die überwiegende Rechtsprechung eine Gefährdungshaftung nach den Product Liability Grundsätzen hier ausschließt, wird eine verschuldensabhängige Haftung des Designlizenzgebers im Zusammenhang mit Mängeln im Designergebnis von den Gerichten anerkannt. In anderen Fällen hat die US-amerikanische Rechtsprechung zwischen Designern, die lediglich eine Idee liefern und Designern, die ein Design für einen bestimmten Herstellungszweck liefern differenziert. Manche Gerichte verwenden diese Abgrenzung gleichfalls für eine Abgrenzung zwischen Gefährdungshaftung und verschuldensabhängige Haftung.

Aus Gründen des Risikomanagements ist es daher jedem Unternehmer zu empfehlen eine Analyse, einschließlich des Herstellungsverfahrens, sowie der Wertschöpfungskette und –tiefe, vorzunehmen, um die Quelle eines möglichen Verschuldens zu untersuchen. Relevante Faktoren umfassen gemäß des Restatement (Third) of Torts: Products Liability 2(b) comment f. (1998): “magnitude and probability of the foreseeable risks of harm, the instructions and warnings accompanying the product, the nature and strength of consumers‘ expectations regarding the product, the relative advantages and disadvantages of the product as designed and as it alternatively could have been designed, production costs, product longevity, maintenance, repair, and aesthetics”. Die Ergebnisse dieser Analyse sollten dann zwecks Entschärfung des Risikos in den Unternehmens- bzw. Lizenzverträgen berücksichtigt werden.

Abschließend muss festgehalten werden, dass die Rechtsprechung sehr stark vom einzelnen Sachverhalt abhängig ist und eine eindeutige Rechtslage aufgrund der teilweise widersprüchlichen Rechtsprechungen nur schwer zu fassen ist. Ein wirksamer Anspruch gegen eines Lizenzsgebers wird jedoch nie ganz ausgeschlossen werden können.

b) Vertragsherstellung

Die Einschaltung eines unabhängigen Vertragsherstellers kann das Produkthaftungsrisiko der Muttergesellschaft entschärfen. Wichtig ist allerdings, dass jegliche Lizenz- und Unternehmensverträge auch unter Beachtung des potentiellen Risikos entworfen werden und dass die Tochtergesellschaft den Vertragshersteller unmittelbar beauftragt. Falls Schäden durch ein mangelhaftes Produkt (defective product) verursacht werden, hat der Geschädigte gemäß der Gefährdungshaftung einen gesamtschuldnerischen Anspruch gegen alle Beteiligten in der Vertriebskette. Die Tochtergesellschaft haftet auch im Rahmen der Zurechnung (agency principles) für Mängel die durch den Vertragshersteller verursacht werden.

c) Auslagerung der Schutzrechte

In bestimmten Fällen kann es überlegenswert sein, die Schutzrechte in eine selbständige und gering kapitalisierte F&I Gesellschaft auszulagern.

III. Allgemeine Risikosteuerung und Management

Den besten Schutz gegen Produkthaftungsrisiken bietet jedoch eine sehr gutes und vor allem nachvollziehbares Qualitätsmanagement. Tatsächliche Risiken werden hierdurch nicht nur reduziert, sondern anhand der Nachweise können auch einige Vorwürfe von vornherein abgewiesen werden. Hierzu gehört auch ein zuverlässiges Risikoüberwachungssystem. Eindeutige Hinweise in der Produktliteratur und ggf. der Gebrauchsanweisung auf potentielle und/oder bekannte Gefahren sind für das Risikomanagement ebenfalls dringend erforderlich. Schließendlich ist auch eine Haftpflichtversicherung für das Risikomanagement unabdingbar. Auch deutsche Versicherer bieten mittlerweile Produkthaftpflichtversicherungen für den US-amerikanischen Markt an.

Sollte es tatsächlich zu einem Produkthaftungsfall kommen, wird es jedoch die Regel sein, dass zunächst der OEM in Anspruch genommen wird. Der OEM wird dann ggf. versuchen einen Ausgleichsanspruch gegen seine Lieferanten geltend zu machen. Die in dem Liefervertrag festgehaltene Schadloshaltungsvereinbarung und Haftungsbegrenzung wird in diesem Fall entscheiden inwieweit der Lieferant in Haftung genommen werden kann. Daher ist bei Vertragsverhandlungen und der Unterzeichnung mit dem OEM, soweit möglich, zielführend zu verhandeln, um das potentielle Risiko zu minimieren.

Fazit:
Haftungsrisiken der Muttergesellschaft in den USA können erheblich entschärft, aber nicht vollständig eliminiert werden. Die Entschärfung wird dadurch realisiert, dass eine selbständige US-Gesellschaft die Herstellung und den Vertrieb für das US-Geschäft tätigt. Weiterhin sollten alle Verträge zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft so entworfen und geprüft werden, dass keine Indizien auf eine Weisungsabhängigkeit hindeuten. Aufgrund des Umstandes, dass im Streitfall die Verträge geprüft werden, sollte die Präambel in den Verträgen auch auf die Unabhängigkeit der Parteien hinweisen. In diesem Bereich entstehen wichtige Querverbindungen zum US-Vertragsrecht und US-Gesellschaftsrecht. Weitere Informationen finden Sie unter US-Vertragsrecht und US-Gesellschaftrecht.