Rechtsbeitrag

Produkthaftung in den USA

  1. Die Presse berichtet gerne über hohe Schadenssummen bei Produkthaftungsfällen in den USA. Das sorgt zwar für sensationelle Nachrichten, ist aber nicht der Regelfall. Für deutsche Unternehmen bestehen einige Instrumentarien, um das Produkthaftungsrisiko in den USA adäquat zu entschärfen. Dieser Kurzbericht beschreibt die Risiken und zeigt einige Methoden auf, wie diese Risiken entschärft werden können.

    Beschreibung des US Produkthaftungsrechts

    Ähnlich wie in Deutschland können in den USA Ansprüche auf Schadensersatz wegen Produkthaftung (products liability) aus verschiedenen Haftungsnormen abgeleitet werden. Die wohl bekanntesten Anspruchsnormen umfassen die Gefährdungshaftung (strict liability in tort), die Fahrlässigkeit (negligence), und die Leistungsstörung der Gewährleistung (breach of warranty). Diese Anspruchsnormen sind selbständig und bestehen nebeneinander.

    Einer der wichtigsten einschlägigen Haftungsnormen ist die verschuldensunabhängige Haftung bzw. Gefährdungshaftung (strict liability in tort) bei Verletzung herstellerspezifischer Verkehrssicherungspflichten. Es muss ein Fehler oder gefährlicher Zustand des Produktes vorliegen. Section 2 (Categories of Product Defect) des Restatement (3rd) of Torts fasst die drei Fehlerkategorien zusammen: 1) Konstruktionsfehler (manufacturing defect), d.h. wenn ein Defekt in der Herstellung entstanden ist, 2) Fabrikationsfehler (design defect), d.h. wenn ein Defekt im Design existiert, und 3) Instruktionsfehler (failure to warn), d.h. das Produkt ist deshalb nicht fehlerfrei, weil die Anleitungen für das Produkt unzureichend sind oder es nicht ausreichend mit Warnungen für naheliegende Gefahren versehen wurde. Insofern besteht bei diesen Kategorien in den USA fast eine Deckungsgleichheit mit den anerkannten Fehlerkategorien nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz (vgl. §3 ProdHaftG).

    Es besteht ein Unterschied zwischen der Gefährdungshaftung und der Haftung wegen Fahrlässigkeit (negligence). Für die Begründung eines Schadensersatzanspruches nach der Gefährdungshaftung muss, wie bereits erwähnt, ein Fehler am Produkt nachgewiesen werden. Für die Begründung eines Schadensersatzanspruches wegen Fahrlässigkeit (negligence) muss dagegen das Verschulden des Herstellers nachgewiesen werden. Ein Rechtsvergleich ergibt, dass in den USA die Fahrlässigkeit (negligence) eine selbständige Haftungsnorm ist, wogegen die Fahrlässigkeit im Sinne von Verschulden nach deutschem Recht lediglich ein Tatbestandsmerkmal im Falle eines Delikts gem. § 823 BGB darstellt.

    Neben Gefährdungshaftung und Fahrlässigkeit für Fehler am Produkt kann eine Produkthaftung wegen Sachmängel durch vertragsrechtliche Ansprüche entstehen. Bei einer Leistungsstörung oder wenn ein Sachmangel nach dem einschlägigen Kaufrecht vorliegt, wird von einem vertraglichen Gewährleistungsanspruch gesprochen. Die Notwendigkeit in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zu stehen um Gewährleistungsrechten geltend zu machen wird in gewissen Fällen durch das US Handelsgesetzbuch (Uniform Commercial Code) teilweise aufgehoben. Gesetzliche Verbraucherschutzregeln führen ebenfalls öfter dazu, dass die Gewährleistungsansprüche, soweit diese nicht wirksam ausgeschlossen wurden, von dem Endabnehmer gegen den Hersteller geltend gemacht werden dürfen.
    Die Anspruchsgrundlagen der Gefährdungshaftung und Fahrlässigkeit bedürfen im Übrigen keines unmittelbaren Vertragsverhältnisses.

    Maßnahmen zur Entschärfung der Produkthaftung in den USA

    Die Produkthaftung kann am besten durch Risikosteuerungsmaßnahmen, wie vor allem eine gewissenhafte Beachtung der aus Deutschland bekannten herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflichten, entschärft werden. Jedes Produkt sollte vor dem Vertrieb in den USA umfänglich auf Gefahren geprüft werden. Vollständige Gebrauchsanleitungen und „Labeling“ sowie ggf. Hinweise auf Gefahren durch Warnschilder sind für die Risikoentschärfung ebenfalls unentbehrlich.

    Die Produkthaftung kann ferner durch entsprechende Vertragsgestaltung entschärft werden. Es ist nicht immer auszuschließen, dass der Europäische Hersteller von seinem US Händler eine Schad- und Klagloshaltungserklärung einholt. Demnach steht dann der US Händler für Schadensersatzansprüche ein, die gegen den europäischen Hersteller geltend gemacht werden. Der Hersteller sollte jedoch grundsätzlich keine unhaltbaren Zusicherungen abgeben. Falls möglich sollten gesetzliche Gewährleistungen (implied warranties) vertraglich ausgeschlossen werden. Solche ausdrücklichen Ausschlüsse sollten allerdings mit Marketingaspekten abgewogen werden. Im Vertrag sollte auch unbedingt die Haftung für Folgeschäden (z.B. entgangener Gewinn) ausgeschlossen werden. Im Fazit kann eine durchdachte Vertragsgestaltung Rechtsrisiken und Unsicherheiten entschärfen. Weitere Informationen zu den Gestaltungsmöglichkeiten bei Gewährleistungsrechten und vertraglichen Ausschluss der Produkthaftung aus Gewährleistungsrechten findet man unter Abschnitt 2.a. des Aufsatzes „Leitfaden: Vertragspraxis in den USA“.

    Neben den oben genannten Risikosteuerungsmaßnahmen sollte auch über eine Haftpflichtversicherung, die auch für das USA Geschäft gilt, nachgedacht werden. Einige deutsche Versicherungsanbieter können die bestehende Haftpflichtversicherung mit einer Zusatzprämie auf die USA erweitern. Wobei es durchaus finanztechnisch Sinn machen kann einen Preisvergleich von einem US-Anbieter einzuholen.

    Sollte ein gerichtlicher Produkthaftungsfall tatsächlich eintreten, stellt sich zunächst die Frage, inwieweit sich ein US Gericht als zuständig gegenüber einem europäischen Hersteller erklären darf. Kurz zusammengefasst: Ein US Gericht wird die Gerichtszuständigkeit gegenüber dem europäischen Hersteller bejahen und begründen, soweit der Hersteller gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass die Produkte im US Markt vertrieben und verkauft werden. Für den Fall, dass der Hersteller keinen Sitz oder Standort in den USA hat, kann die Gerichtszuständigkeit über sogenannte „long arm statutes“ begründet werden.

    Fazit:
    Deutsche Hersteller sollten sich wegen dem Produkthaftungsrisiko nicht vom US Markt abschrecken lassen, da auch unter anderem die Wahrscheinlichkeit, dass ein deutscher KMU vom insolvenzauslösenden Strafschadensersatz (punitive damages) erfasst wird eher gering ist. Durch bewusste Planung und den Einsatz von Instrumentarien für die Risikosteuerung ist es durchaus möglich die Risiken erheblich zu entschärfen, damit der Markteinstieg in den USA im guten Verhältnis zum Aufwand steht.

    Hinweis: Dieser Rechtsbeitrag ist lediglich informativer Art und stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. JEGLICHE GEWÄHRLEISTUNG UND HAFTUNG IST AUSGESCHLOSSEN.

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