US Gesellschaftsrecht und Registerrecht

Einleitung. In den USA tätige Geschäftsleute aus Deutschland kennen die „Division of Corporations“, eine Behörde des „Department of State“ in den einzelnen US Bundesstaaten. Dort haben sie z.B. Unterlagen eingereicht, um eine US-Gesellschaft zu gründen (z.B. LLC oder Corporation), oder um ihre Jahresmeldung (Annual Report) einzureichen. Oft wird vermutet, dass die Division of Corporations bzw. das dort geführte Register mit dem deutschen Registergericht bzw. dem dort geführten Handelsregister vergleichbar ist. Diese Annahme ist jedoch nicht ganz richtig. Dieser Aufsatz vergleicht das US-Handelsregister mit dem deutschen Handelsregister. Er soll deutschen Geschäftsleuten eine Orientierungshilfe im Registerrecht der USA am Beispiel des Staates Florida geben. Ebenso wird auf ausgewählte Fragen des US-Gesellschaftsrechts und des US-Vertretungsrechts, der US-Kapitalgesellschaft (US Corporation und der US limited liability company), gerade in Zusammenhang mit US-Verträgen und Vertragsabschlüssen in den USA, eingegangen. Denn hier liegt eine thematische Verknüpfung zum Handelsregister sehr nahe. Das Recht des Bundesstaates Florida bietet sich geradezu als Vergleich an, denn seit Anfang 2014 gilt in Florida ein modernes und systematisch belastbares LLC Recht, das in weiten Zügen von dem Revised Uniform Limited Liability Company Act 2006 („Revised LLC Act“), entworfen durch die Uniform Law Commission, übernommen wurde. Nachfolgend werden zu diesem Zweck (1) die Eigenart des US-amerikanischen Handelsregisters, (2) konstitutive (rechtsbegründende) und deklaratorische (rechtbekundende) Anmeldungen/Eintragungen, (3) die Publizitätswirkung und (4) das Anmeldungsverfahren vergleichend abgehandelt.

1. Eigenart des US-amerikanischen Handelsregisters. Das deutsche Handelsregister und das US-amerikanische Handelsregister sind in ihrem Wesen unterschiedlich. Das US-amerikanische Handelsregister sammelt eingereichte Unterlagen und publiziert sie. Die eingereichten Unterlagen werden aber grundsätzlich nicht geprüft und die mitgeteilten Informationen werden nicht aufgearbeitet. Das US-amerikanische Handelsregister nimmt keine „Eintragungen“ in einem Register vor, sondern archiviert (record) die eingereichten Unterlagen lediglich und macht den Inhalt dieser „Archive“ dann elektronisch öffentlich zugänglich z.B. in Florida über www.sunbiz.org. Es entsteht deshalb auch kein Registerinhalt, über den ein Registerauszug erstellt werden könnte. Demgegenüber ist das deutsche Handelsregister ein tatsächliches Register, das Unterlagen sammelt, in gewissen Grenzen prüft, auswertet und die Kerndaten als solche erfasst. Der Registerinhalt, Registerauszüge und eingereichte Unterlagen werden publiziert und sind öffentlich zugänglich, mittlerweile auch elektronisch. Es gibt also wesentliche Unterschiede zwischen dem US-amerikanische Handelsregister und dem deutschen Handelsregister im Hinblick auf die Registerführung und dem Umgang mit eingereichten Unterlagen. Der Einfachheit halber wird nachfolgend sowohl beim US-amerikanischen Handelsregister, als auch beim deutschen Handelsregister von „Einträgen“ in das Register gesprochen, auch wenn es sich im Einzelfall tatsächlich nur um eine Anmeldung von Tatsachen oder um eine Einreichung und Archivierung von Unterlagen handeln sollte.

2. Konstitutive und deklaratorische Eintragungen. Es ist zwischen konstitutiven (rechtsbegründenden) und deklaratorischen (rechtsbekundenden) Eintragungen zu unterscheiden. Konstitutiv ist eine Eintragung, wenn die einzutragende Handlung (z.B. die Errichtung einer GmbH) erst mit der Eintragung wirksam wird. Deklaratorisch ist eine Eintragung, wenn die einzutragende Handlung (z.B. die Berufung des Geschäftsführers einer GmbH) unabhängig von der Eintragung wirksam wird. Anmeldungspflichtige Handlungen oder Tatsachen sind häufig konstitutiv, nur anmeldungsfähige Tatsachen deklaratorisch.

a. Gründung. Sowohl in Deutschland, als auch in Florida wird die Gründung einer Kapitalgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft (limited partnership) als solche erst mit der Eintragung der Gesellschaft ins US-amerikanische Handelsregister bzw. dem deutschen Handelsregister wirksam (siehe z.B. §11 Abs. 1 GmbHG, §§106, 123 Abs. 2, 161 Abs. 2, 172 HGB, §607.0203 Fl. Stat. bzg. „Corporations“, §605.0201 Fl. Stat. bzg. „LLCs“, §620.1201 Fl. Stat. bzg. „Limited Partnerships“). Die Eintragung ist für die Gründung also konstitutiv, vor der Eintragung besteht nur eine Vorgründungsgesellschaft (keine Vor-GmbH). Das einzelkaufmännische Unternehmen (sole proprietor) und die offene Handelsgesellschaft (general partnership) entstehen dagegen bereits mit Aufnahme der Geschäftstätigkeit. Hinsichtlich der Firmierung des Einzelkaufmanns und der offenen Handelsgesellschaft gibt es kleine Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen Handelsregister und dem deutschen Handelsregister. Die Firma ist der Name, unter dem ein Kaufmann oder ein Unternehmen im Geschäftsverkehr auftritt. Die Firma ist gemäß § 29 HGB in Deutschland anmeldepflichtig. In Florida ist die Firma nur anmeldepflichtig, sofern keine Personalfirma verwendet wird, d.h. sofern der Name des Inhabers nicht Bestandteil der Firma des Unternehmens ist. Hier geht es dann um einen sog. „Fictitious Name“, der zwecks Verkehrs- und Vertrauensschutz anmeldepflichtig ist (§865.09 Fl. Stat.).

b. Organe. Sowohl in Deutschland, als auch in den USA hat die Anmeldung von Organen bzw. Geschäftsführern lediglich deklaratorische Wirkung. Dennoch sind Organe bzw. Geschäftsführer sowohl im deutschen Handelsregister, als auch im US-amerikanischen Handelsregister anmeldepflichtig. Beim US-amerikanischen Handelsregister gibt es aber einige Ausnahmen von dieser Anmeldepflicht, die den Verkehrs- und Vertrauensschutz beeinträchtigen. So kann eine US Kapitalgesellschaft in Form der US Corporation wirksam gegründet werden, ohne dass die Organe in den zum US-amerikanischen Handelsregister eingereichten Gründungsunterlagen erwähnt werden. Erst nach maximal einem Jahr, d.h. spätestens mit der ersten Jahresmeldung (Annual Report), müssen die Organe mitgeteilt werden. Auf den eingereichten Gründungsunterlagen, wie auch auf der Jahresmeldung einer US limited liability company muss nur eine Person, die zur Geschäftsführung befugt und vertretungsberechtigt ist (Manager oder Member je nach Struktur) genannt werden, auch wenn es noch weitere Geschäftsführungsbefugte gibt. Die geschäftsführungsbefugten Personen einer LLC sind aus dem US-amerikanischen Handelsregister daher nicht zuverlässig vollständig zu ersehen.

Darüber hinaus geht im Gegensatz zu §35 GmbHG (Vertretung der Gesellschaft) aus der Eintragung als Organmitglied einer US-Aktiengesellschaft (Corporation) im US-amerikanischen Handelsregister nicht gleichzeitig eine gesetzliche Vertretungsberechtigung hervor. Die Eintragung stellt zwar ein starkes Indiz für die Vertretungsberechtigung dar, ist aber rechtlich gesehen alleine nicht ausreichend, um die Vertretungsberechtigung zu begründen. Die Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer und Vorstände („Officers“) einer US-Aktiengesellschaft (Corporation) wird vielmehr aus den Grundsätzen des allgemeinen aus dem „US common law“ stammenden Recht der Vertretung und Vollmacht („agency law“), eher vergleichbar mit §164 ff BGB, sowie dem Rechtsinstitut der Anscheins- und Duldungsvollmacht geregelt. Hiervon ausgenommen ist lediglich der Aufsichtsrat („board of directors“) einer US Corporations. Dessen Vertretungsberechtigung folgt sui generis aus seiner Stellung, weswegen er die US-Corporation nur dann gegenüber Dritten binden kann, wenn die „board of directors“ gemeinsam agiert. Hier liegt lediglich eine Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vor. Bei der US-GmbH (LLC) verhält sich das anders. Die einschlägigen Gesetze wie z.B. §605.04074 Fl. Stat. schreibt das Vertretungsrecht der „manager“ oder „members“ gesetzlich vor, was wiederrum mit §35 GmbHG vergleichbar ist. Allerdings gilt hier wegen der nicht vollständig vorhandenen Eintragungspflicht, dass die gesetzlich zur Vertretung befugten Organe einer LLC nicht zuverlässig vollständig aus dem US-amerikanische Handelsregister zu ersehen sind.

3. Publizitätswirkung ggü Dritten. Nachfolgend wird die Publizitätswirkung von Eintragungen im deutschen Handelsregister, bzw. US-amerikanischen Handelsregister gegenüber Dritten verglichen. Die Publizitätswirkung hat eine besondere Bedeutung, wenn geprüft werden soll, ob das Unternehmen wirksam vertreten wurde.

a. Deutschland. Das deutsche Handelsregister genießt gemäß §15 HGB öffentlichen Glauben. Nach § 15 Abs. 2 muss jeder Dritte eingetragene und bekanntgemachte Tatsachen gegen sich gelten lassen. Nach § 15 Abs. 1 HGB kann eine in das deutsche Handelsregister einzutragende Tatsache, solange sie nicht eingetragen und bekanntgemacht worden ist, von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war (d.h. wer durch sie irgendwie entlastet oder von der Haftung befreit werden soll), einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war („negative Publizität“). Dritte können sich also auf das Schweigen des deutschen Handelsregisters zu Tatsachen verlassen. Die positive Publizitätswirkung (§ 15 Abs. 3 HGB) bedeutet, dass Dritte sich auf die Richtigkeit von Eintragungen verlassen können („positive Publizität“).

b. Florida und USA. Ob ein Dritter sich auf eine Tatsache verlassen darf, bzw. ob ein Dritter eine Tatsache gegen sich wirken lassen muss, entscheidet sich mit Ausnahmen nach dem Fallrecht des Staates (common law) oft danach, ob der Dritte positive Kenntnis hatte (actual knowledge), oder ob er diese bei der Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte haben müssen (constructive knowledge). Dies kann auch damit zusammenhängen, dass derjenige, der sich entlasten oder von einer Haftung befreien möchte, einen Rechtschein geduldet (Duldung) hat oder hätte erkennen müssen (Anschein). Die normale, negative und positive Publizitätswirkung wird somit unter Berücksichtigung der Gutgläubigkeit bestimmt, es sei denn, dass eine gesetzliche Ausnahme, die eine eindeutige Publizitätswirkung vorschreibt, vorliegt. Im Revised LLC Act gibt es einige solcher Ausnahmen. Gemäß §605.0103 Fl. Stat. muss ein Dritter Tatsachen über die Bevollmächtigung bzw. der Vertretungsberechtigung und Einschränkungen dieser, wenn diese in der eingetragenen Gründungsurkunde (Articles of Organisation) beinhaltet sind, gegen sich wirken lassen. Dies ist zumindest teilweise vergleichbar mit §15 Abs. 2 HGB. Eine positive Publizität analog §15 Abs. 3 HGB, gekoppelt mit Schadensersatzansprüchen, leitet sich aus §605.0205 Fl. Stat. ab.

Eine dringende Notwendigkeit, das US-Aktienrecht (Corporate law) in diese Richtung hin abzuändern besteht zunächst nicht. Dies kann vielleicht damit zusammenhängen, dass die Grundsätze des US-Vertretungsrechts (agency law) im „US Corporate law“ über einen langen Zeitraum hin historisch gewachsen sind und daher die notwendige Rechtssicherheit als gegeben erachtet wird. Insofern besteht zwar ein Unterschied in der Prüfungssystematik der Vertretungsberechtigung zwischen US Corporations und US limited liability companies. Im Ergebnis halten sich jedoch die Unterschiede in Grenzen. Zusammengefasst bedeutet dies, dass Dritte sich zwar normalerweise sowohl auf Eintragungen im US-amerikanischen Handelsregister, als auch auf das Schweigen des US-amerikanischen Handelsregisters verlassen können, solange der Dritte gutgläubig ist. Allerdings stellt dieser Aspekt erhebliches Konfliktpotential dar und es ist nicht unüblich, dass die Parteien in diesem Punkt sich streiten und unterschiedliche Rechtspositionen zur Frage der Anscheinsvollmacht (apparent authority) vertreten können. Mit wenigen Ausnahmen folgt aus der Publizitätswirkung in den USA keine Rechtssicherheit, die mit der in Deutschland vergleichbar ist.

Hinzu kommt, dass die Informationen im US-amerikanischen Handelsregister, wie bereits erwähnt, nicht immer lückenlos sind, gerade was die Nennung von Organmitgliedern und der Vertretungsberechtigung betrifft. Daher ist es in den USA in der Praxis üblich, vor allem bei US Corporations, sich nicht alleine auf die Publizitätswirkung zu verlassen. Stattdessen legt eine Gesellschaft bei wesentlichen Rechtsgeschäften ein sogenanntes „officer’s certificate“ vor, worin die US Gesellschaft die Vertretungsbefugnisse der Vertreter bestätigt, bzw. das betroffene Rechtsgeschäft in den USA genehmigt (ratification).

4. Anmeldungsverfahren. Die Zuverlässigkeit des deutschen Handelsregisters wird dadurch erhöht, dass Anmeldungen gemäß §12 HGB in öffentlich beglaubigter Form erfolgen müssen. Dabei wird die Echtheit der Unterschrift einer anmeldungsberechtigten Person unter der Anmeldung (nicht deren Erklärungsinhalt) vom Notar beglaubigt. Der Notar reicht die Anmeldungen elektronisch ein. Missbrauchsfälle sind im Prinzip präventiv ausgeschlossen. Im Gegensatz dazu kann in den USA jede Person eine Anmeldung vornehmen. Ein Missbrauchsfall kann in den USA daher nur nachträglich berichtigt werden. Die Zuverlässigkeit des deutschen Handelsregisters wird zudem durch eine, wenn auch beschränkte, Prüfung der Richtigkeit des Inhalts durch das Registergericht gefördert. Eine Pflicht des Registergerichts zur Prüfung besteht nach §§ 26, 382 FamFG, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind, oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen, oder der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (BGH, 21.06.2011 – II ZB 15/10). In Florida gilt genau das Gegenteil: Gemäß §605.0210(5) und §607.0125(4) ist die Aufgabe des US-amerikanischen Handelsregisters lediglich „ministerial“. Es ist also keine (wesentliche) Prüfung vorgesehen, bzw. das US-amerikanische Handelsregister ist nicht zur Amtsermittlung verpflichtet.

Fazit: Es gibt in den USA kein Handelsregister im klassischen Sinne. Aber es besteht ein System, das in Teilen auch die Funktion eines Handelsregisters erfüllt. Im Übrigen wird das US-Registerrecht größtenteils durch das jeweils einschlägige US-Gesellschaftsstatut (US-Gesellschaftsrecht) geregelt. Aus dem US-amerikanischen Handelsregister können Informationen über Unternehmen elektronisch abgerufen werden. Im Gegensatz zu Deutschland, wo das Handelsregister fast einen uneingeschränkten öffentlichen Glauben genießt, kann bei dem US-amerikanischen Handelsregister der öffentliche Glaube jedoch nur bedingt abgeleitet werden. Oft muss das Vertretungsrecht (agency law) aus einer nicht immer übersichtlichen Rechtsprechung ermittelt und angewendet werden, um zu klären, ob eine wirksame Vertretung vorliegt. Bei wesentlichen Rechtsgeschäften, die nicht sofort erfüllt werden, ist es in den USA daher üblich und auch zu empfehlen, sich Vertretungsnachweise vorlegen zu lassen und diese nach Maßgabe des US-Rechts zu prüfen. Es empfiehlt sich, die hierin genannten Aspekte, bei Einschlägigkeit des US Gesellschaftsrechts, sowie bei Fragen zur Vertretungsberechtigung beim Abschluss von US-Handelsverträgen, vorsichtshalber zu berücksichtigen.

Weitere Information zu US Gesellschaftsrecht finden Sie hier.

Dieser Kurzbericht stellt keine Rechtsberatung dar. Eine abweichende Gesetzeslage in den unterschiedlichen US-Bundesstaaten kann nicht ausgeschlossen werden.

© 2014 Carlos Galaniuk